Newsletter März 2023
«Anfangen ist oft einfacher als aufhören»
Peter Ryser
Peter Ryser begleitet unsere Praxis und mich als «systemischer Berater» seit Jahren.
Er hat vor Jahrzehnten auch eine erfolgreiche Weiterbildung für Hausärztinnen in «systemischer Kommunikation» ins Leben gerufen und kürzlich ein sehr beachtetes Lehrbuch geschrieben «die ärztliche Konsultation» (zusammen mit einem ehemaligen Hausarzt aus Bern: Bruno Kissling). Von ihm stammt das Zitat, das sehr gut zur aktuellen Situation passt. Jedem Anfang liegt ein Zauber inne, hatte schon Hermann Hesse in seinem berühmten Gedicht «Stufen» geschrieben, sei es in einer Beziehung, beruflich, privat oder in einer anderen neuen Lebensphase. Das Aufhören ist oft weit heikler, gerade auch in den oben erwähnten Bereichen; nicht immer muss dies endgültig sein. Manchmal geht es darum, einen Richtungswechsel vorzunehmen, alte Gewohnheiten zu verändern oder schon nur das Tempo anzupassen, meist zu verlangsamen.
Wir leben in einer Zeit, wo «Gewinner-innen» im Scheinwerferlicht stehen, die Verlier-innen gehen vergessen oder «verloren» und ein «immer schneller, immer weiter und immer höher» wird nicht mehr olympisch verstanden, wo das Mitmachen wichtiger wäre/war als das Gewinnen. Die optimierte Leistung steht im Zentrum nicht die Arbeit und das Engagement an sich; das Haben ist wichtiger als das Sein. Vieles dreht sich um Macht, und wer (s)einen Platz an der Sonne erkämpft und verteidigt. Doch wo viel Schatten ist, da wächst bei vielen ein Gefühl der Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit.
Dies zeigt sich auch in der Praxis. Hier wird die Macht- und Hilflosigkeit, auch die Angst vieler Menschen immer spürbarer, nicht erst seit Corona, Krieg und anderen Katastrophen. Diese Angst wird von den Medien gefördert, indem immer wieder und immer mehr über eben diese Bedrohungen, die Krisen berichtet wird, wenig ist zu lesen über Chancen, Lösungen und Möglichkeiten. Es gibt kaum einfache Lösungen. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen in der Ohnmacht auch wütend werden. Solche Aggressionen werden immer öfter auch in der Praxis, am Empfang, für die MPA spürbar, nicht nur, wenn etwas nicht wunschgemäss funktioniert hat. Die Rettungsdienste (144), aber auch die Notfallstationen der Spitäler berichten ebenfalls darüber. Was tun?
Manchmal ist das Verstehen ein erster Schritt etwas zu verändern, ein Schlüssel zu unbekannten Welten. Sowohl Angst wie auch Wut, noch mehr Hilflosigkeit und Ohnmacht sind zudem starke Risikofaktoren für die Gesundheit, ebenso so bedeutend wie das Cholesterin oder der hohe Blutdruck, nur weniger gut messbar. Das möge keine weitere Angstmacherei sein, sondern eine Einladung sich diesen Gefühlen zu stellen. «Die Dame in Schwarz kommt zu Besuch», ist u.a. ein Buchtitel über Depressionen und wie damit umgegangen werden kann. Es ist eine Einladung zum Fragen: …warum sie wieder komme, was sie zu sagen hätte… Dies kann gut auch für andere Gefühle gelten- wie Angst, Wut und Ohnmacht. Was löst diese Gefühle aus? Ist es die aktuelle Situation, ist es Teil meiner Lebenserfahrungen oder sind es meine Reaktionsmuster unter Stress? Was kann ich dagegen tun, wer hilft mir dabei. Oft ist der erste Schritt ein Innehalten und in einem inneren Dialog neue Wege und Handlungen finden, auch im Gespräch mit Freunden, Familie oder Profis.
«Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang verändern. Aber du kannst starten wo du bist und das Ende verändern.»
C. S. Lewis
Der Rückblick
Der Praxisumbau 2020 war ein erster grosser Schritt in (m)einer Nachfolgeplanung. Immer wieder erleben wir, dass kleinere Praxen grösste Mühe haben weiterzubestehen, nachdem die/der Gründer-in in Pension gehen will. Meist folgen Zusammenschlüsse verschiedener Praxen in einem Neubau mit Neuorganisation. Dies ist soeben in Münchenbuchsee erfolgreich umgesetzt worden. Unser Ziel ist es nun, diesen Übergang in verschiedenen Stufen zu vollziehen.
Die neue Praxis soll mehreren Hausärztinnen sowie nicht ärztlichen Mitarbeiterinnen einen nachhaltigen Arbeitsplatz gewähren, wo auch sie als Patient-innen und Angehörige mehr Ruhe und Raum sowie Diskretion erfahren sollen. Ein grosses Problem bleibt die telefonische Erreichbarkeit. Tagtäglich sind zwei Telefonlinien permanent besetzt, pro Halbtag nehmen wir meist zwischen 80- 100 Anrufe entgegen. Wir sind mit verschiedenen Firmen am Suchen von besseren Lösungen. Danke für ihre Geduld.
Zu diesem Übergang gehören auch Abschiede, die meisten erwartet und angekündet, leider sind wir nicht vor Überraschungen gefeit.
«Wie lächerlich und weltfremd ist der, der sich über irgendetwas wundert, das im Leben vorkommt.»
Marc Aurel
Magnus Mansouri wollte als Hausarzt und als Praxisnachfolger in der Salutomed mitwirken und heimisch werden. Schweren Herzens hat er sich entschieden, seine Karriere doch im Spital weiterzuführen. Wir freuen uns auf die vertikale Vernetzung.
Stefanie Studer, Neuropsychologin, hat die grosse Chance in Bern bei «les Toises» eine Abteilung für Neuropsychologie aufzubauen, die sie persönlich leiten wird. Die beiden Psychologinnen haben sich, auch im Rahmen des Anordnungsmodell Psychotherapie, neu orientiert; sie werden entweder selbständig weiterarbeiten, wie Thivija Lazarus in Lyss oder nach dem Schwangerschaftsurlaub zurück ins Spital Thun gehen wie Deborah Zundel.
Einige Patientinnen können zum Glück von ihnen weiterbetreut werden. Im Sekretariat steht ebenfalls ein (erwarteter) Wandel bevor: Leila Zaiem hat während ihrem Studium «soziale Arbeit» Teilzeit im Sekretariat gearbeitet und dort verschiedenste Aufgaben verantwortungsvoll übernommen. Sie wird nun als Sozialarbeiterin weiterarbeiten. Corinne Schneeberger hat neben dem Aufbau der eigenen Praxis für Craniosacrale Therapie in Zollikofen auch im Sekretariat mitgearbeitet, wo sie die u.a. die Qualität erfolgreich weiterentwickelte; nun konzentriert sie sich auf ihre selbständige Tätigkeit.
Zwei Praxisassistenzärztinnen (PAA) werden uns im ersten Quartal verlassen: Anna Moser kehrt in den Lindenhof zurück, Nicole Schulze wird auf der Gerontopsychiatrie arbeiten. Beide werden sehr bald den FMH Allgemein Innere Medizin abschliessen.
Ein grosses MERCI für euer mit uns gehen und in guter Erinnerung bleiben.
«Das Leben ist wundervoll. Es gibt Augenblicke, da möchte man sterben.
Aber dann geschieht etwas Neues, und man glaubt, man sei im Himmel.»
– Edith Piaf
Nachfolge
Kreise schliessen sich, doch es ist nie mehr das Gleiche, wenn der nächste Kreislauf neu anfängt. Wir sind nie mehr am gleichen Ort, wenn sich das Rad weitergedreht hat. Das erleben wir jeden Morgen, wenn der Tag beginnt und irgendwo die Sonne aufgeht. Leben ist auch Erfahrung, Erkenntnis und Entwicklung zwischen Geburt und Tod.
«Unsere Leidenschaften sind wahre Phönixe. Wie der alte verbrennt, steigt der neue sogleich wieder aus der Asche hervor.»
– Johann Wolfgang von Goethe
1995 durfte ich die Praxis von Herrn Dr. med. Peter Mosimann übernehmen. Was damals als kleine, aber feine Einzelpraxis begann, hat sich seither zu einem Zentrum für hausärztlich – integrative Medizin entwickelt. Hier sind wir seit Jahren erfolgreich unterwegs: interprofessionell und partizipativ, das bedeutet: Einbezug der Patientinnen und Angehörigen, in der Hoffnung, dass wir noch einige Krisen im Gesundheitswesen, besonders in der Grundversorgung konstruktiv überstehen werden.
Der Fachkräftemangel ist auch in Zollikofen angekommen, sei es bei den Hausärztinnen, aber auch in der Pflege (SPITEX, Pflegeheime) und anderen Berufsgruppen. Es besteht ein «Sog» in die Spital- und Spitzenmedizin, wo es einfacher ist Karriere zu machen. Ich denke, dass wir die Grundversorgung neu denken müssen, in einer echten Kooperation von Gesundheits- und Gemeinwesen, auch das Sozialwesen gehört dazu, leiden doch 50% der Sozialbezüger an chronischen Krankheiten.
Nun stehen wir in der Salutomed vor der nächsten grossen Herausforderung. Persönlich bin ich überzeugt, dass wir gemeinsam diese nächste Stufe erreichen werden.
NachfolgerIn für Praxisleistung
Aktuell laufen Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen. Das Weiterbestehen der Philosophie sowie die Nachhaltigkeit der hausärztlichen Versorgung stehen für uns im Mittelpunkt, auch wenn das unter den aktuellen Rahmenbedingungen schwierig ist. Als Hausarzt ist es mir wichtig, dass sie, «meine Patientinnen», ebenfalls eine/n gute/n hausärztliche Nachfolger-in finden. Wir werden dies in der Sprechstunde persönlich besprechen mit dem Ziel, dass sie alle mit unserer Unterstützung jemanden finden werden, idealerweise in der Salutomed, wo sie teilweise schon fast in der dritten Generation sind, aber auch in der Region oder weiter weg, je nachdem, wo sie wohnen (werden).
Ich habe mir lange überlegt, wann der ideale Zeitpunkt dazu gekommen ist. Während der schweren Krankheit meiner Frau und nach deren Tod war ich ein erstes Mal fast so weit, vielen von ihnen haben dies viel früher gespürt als ich es selbst gemerkt hatte. Ich verdanke es der Familie, vielen Freunden und Verwandten aber auch ihnen als Patientinnen und Partner, dass wir nicht aufgegeben, sondern einen Schritt nach vorne gewagt haben.
«Ein Unternehmer ist kein Unternehmer, sondern ein Verwalter, wenn er nicht den Mut hat, Fehler zu machen.»
– Reinhard Mohn, Stifter (Bertelsmann)
Ausblick
Neben den Hausärztinnen und (neu) Pflegefachfrauen wird die heutige Hausarztpraxis in erster Linie von den MPA (Medizinische Praxisassistentinnen) getragen. Ihr Berufsbild ist im Wandel, auch mit der Zunahme von Gruppenpraxen. Einerseits üben sie oft eine zusätzliche Beratungstätigkeit aus, andererseits gibt es auch eine Führungsweiterbildung, genannt die Praxiskoordinatorin.
Seit Jahren engagieren wir uns in der MPA-Lehre sowie der Aus- und Weiterbildung von Medizinstudentinnen und PAA. Wir sehen uns für den eigenen Nachwuchs verantwortlich, so waren sowohl Frau Simone Hegner wie Frau Christine Huber, aber auch Frau Ursula Stutz alle PAA, bevor sie nun Hausärztinnen geworden sind. Einige Praxen in der Region werden von ehemaligen PAA aus der Salutomed unterstützt. So werden wir auch weiterhin grosse Chancen haben, passende Nachfolgerinnen zu finden, sei es für Hausärztinnen aber auch MPA.
«Unternehmer sein heißt, eine differenzierte Sicht der Zukunft haben»
– Ludwig von Mises (1881-1973) Nationalökonom
Salutomed Therapie und Beratung
Die Zweigstelle von Salutomed, an der Bernstrasse 161, mit Schwerpunkt «Psychotherapie und Beratung» braucht einen Neustart. Das Anordnungsmodell Psychotherapie verunmöglicht eine delegierte Psychotherapie. Die Psychologinnen dürfen und müssen weitgehend selbständig arbeiten, vergleichbar mit der Physiotherapie. Dieser Wechsel hat an vielen Orten mehr Scherben als Glück gebracht. Gemeinsam mit Emil Sabanovic und Natalie Ceesay (Nigg) sind wir daran das Konzept anzupassen. Im Vordergrund stehen Konsilien und Krisenintervention. Längerdauernde Psychotherapien würden in Absprache mit anderen Praxen dort weitergeführt werden. So sind wir besser gerüstet für die steigende Nachfrage wegen psychischen Leiden und Krisen.
«Die Menschen machen immer die Umstände dafür verantwortlich, was sie sind. Ich glaube nicht an Umstände. Die Menschen, die vorangehen in dieser Welt, sind stets jene, die sich aufmachen und die Umstände suchen, die sie brauchen, und sie schaffen, wenn sie sie nicht finden können.»
– George Bernard Shaw (1856-1950), ir. Schriftsteller
Abschluss Projekt «Patientenpfad» (mit der Gesundheitsförderung Schweiz)
Seit Jahren versucht das BAG eine «interprofessionelle Grundversorgung» zu unterstützen, als ein Teil der Lösung aktueller Probleme im Gesundheitswesen, die da heissen: viele ältere und hochbetagte Menschen, oft alleinstehend, mit vielen chronischen Krankheiten, die oft nicht mehr durch einen Hausarzt allein betreut werden können, neu kommt zusätzlich der Fachkräftemangel dazu. Je komplexer die Probleme werden, desto eher ist nur eine Lösung im Team bzw. Netzwerk möglich.
Dies ist eines der Gründe, warum sich Salutomed in den letzten Jahren in diese Richtung weiterentwickelt hat und wir nicht nur mit Psychologinnen, Sozialarbeiter sondern nun auch mit Pflegefachfrauen zusammenarbeiten. Seit 2004 als wir das Forum dialog-gesundheit gegründet haben sind auch immer wieder Patientinnen für wegweisende Lösungsansätze mit «im Boot» (partizipativer Ansatz).
Dies war vor Jahren auch ein Angehöriger, dessen Ehefrau regelmässig wegen eines Dickdarmkrebses ins Spital musste. Immer wieder ging etwas vergessen, sei dies beim Eintritt oder auch beim Austritt aus der Klinik. So ist er auf die Idee gekommen eine eigene «Checkliste» zu machen. Daraus hat sich dann nach Jahren ein Projekt mit der Gesundheitsförderung Schweiz entwickelt: der Patientenpfad, wo wir versuchen, etwas gegen die komplexen, fehleranfälligen «Patientenpfade» im Gesundheitswesen zu unternehmen. In diesem Projekt zwischen 2019 und 2022 haben wir gelernt, als Praxis aber auch als Netzwerk in der Gemeinde und der Region.
«Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu machen.»
– Konfuzius
In erster Linie waren das die Arbeiten an der Checkliste, die nun xundheitiskompass heisst. Aber auch die Erkenntnis, wie viele Fehler an den «Schnittstellen» zwischen Profis und Patientinnen, besonders auch innerhalb der Zusammenarbeit der Profis passiert. Hier versuchen wir mit Arbeitsinstrumenten wie TeamSTEPPS aber auch Schulungen, diese möglichen Lücken besser zu schliessen, damit «Nahtstellen» entstehen können.
Am Ende des Projektes haben uns auch Betroffene oder Peers unterstützt, im Projekt nannten wir sie «Gesundheitslotsen» (www.netzwerk-gesundheit.ch). Aus Studien wissen wir, dass direkt Betroffene Menschen anderen Betroffenen in konkreten Handlungsanweisen oft besser helfen können als Profis. Eine Optimale Mischung wäre das Ziel. Wir hoffen, dass wir mit dem Projekt nicht nur innerhalb der Praxis, sondern auch für die Grundversorgung grundlegende Erkenntnisse oder gar Modelle erarbeiten konnten. Wir laden sie herzlich ein:
Frühlingsanlass xunds- grauholz
Interessentinnen melden sich bitte an via E-Mail-Adresse: m.deppeler@hin.ch