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News 07/2024

News 07/2024

Newsletter Juli 2024

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Ich denke, wir müssen viel und aufmerksam zuhören, dann werden wir allmählich immer vorsichtiger antworten und immer besser

Rainer Maria Rilke
Kultur und Kooperation

Eines der wichtigsten Resultate unseres Projektes «Patientenpfad» (2019-2023) mit der Gesundheitsförderung Schweiz, wo wir uns mit der Komplexität des Gesundheitswesens befassten, war u.a. die Kommunikation, die so oft vergessen geht, obwohl sie die Grundlage jeder Beziehung ist, besonders wenn es um Krisen und Krankheit geht. Das Aktive Zuhören ist das A und O einer Beziehung. Dieses Resultat war trotz allem überraschend: 30% der Fehler im Gesundheitswesen, und damit auch der Kosten, sind Folgen von Kommunikationspannen, besonders an den «Schnittstellen» zwischen den Organisationen aber auch innerhalb der Organisationen. Damit wir diese angehen können, brauchen wir neue Schwerpunkte in der Aus- und Weiterbildung und davor auch einen Kulturwandel im Gesundheitswesen. Erst dann können all die Ideen und Modelle erfolgreich und vor allem nachhaltig umgesetzt werden. Ohne diesen Kulturwandel fahren wir einfach fort mit der bisherigen «Pflästerlipolitik»bzw. «Gärtlidenken», dazu gehört auch immer mehr Reglementierung, was zu immer noch mehr Administration führt. Meine Zeit im Büro hat sich in den letzten 25 Jahren mindestens verdoppelt, wahrscheinlich vervielfacht. Wenn ich meinen Kolleg-innen zuhören, dann ist das einer der Hauptgründe für ihren Frust bei der Arbeit. Und: Der (politische) Entscheid, dass unser Gesundheitswesen ein Markt sein soll und nach wirtschaftlichen Vorgaben gewinnorientiert gestaltet werden soll, ist für mich einer der fatalsten Fehlentscheide, welche auch für die aktuelle Kultur im Gesundheitswesen mitverantwortlich ist: eine Kultur von Konkurrenz und Kontrolle und eine Atmosphäre der Angst und auch Aggression; einer Angst, ja nichts zu verpassen oder zu wenig für «sein Geld» (Prämien, Leistungen etc.) zurückzubekommen. Geld und Gewinn regieren den medizinischen Alltag, gespart wird an Zeit und Zuwendung, also an «uns Menschen». Wir brauchen eine (neue) Kultur des Vertrauens und der Kooperation, der Zusammenarbeit und einer gemeinsam getragenen und gelebten Verantwortung, die Kultur der Mit-Menschlichkeit.

Kultur hat mit Technik und Wissensmenge nichts zu tun, sie ist ein innerer Zustand

Joseph Chamberlain

Dass es einen Kulturwandel braucht, haben soeben zwei weit grössere Studien bestätigt: die Interface-Studie www.health2040.ch, sie ist noch nicht abgeschlossen. Das umfassende Nationalfondprojekt NFP 74 ist letztes Jahr beendet worden und auf grosse nationale Resonanz gestossen. Dort steht in der Zusammenfassung u.a., dass «ein Kulturwandel vonnöten sei»:

…um mehr aus den vorhandenen Ressourcen herauszuholen, müssen sie besser, d. h.
«smarter» vernetzt werden. Hierbei sind die ins Versorgungsnetz eingebundenen Menschen
zentral: Fachpersonen, Patientinnen und Patienten, Angehörige. Sie alle müssen dazu
befähigt und ermächtigt werden, vernetzt zu handeln und zu denken. Ohne die nötige
Gesundheitskompetenz ist es für Patientinnen und Patienten schwierig, angemessene
Entscheide für die eigene Gesundheit zu treffen. Gesundheitsfachpersonen können nur dann
integrativer und kooperativer arbeiten und die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten
gesamtheitlicher angehen, wenn die dafür notwendigen Rahmenbedingungen betreffend Zeit
und Vergütung geschaffen werden…

Seit der Gründung von Salutomed arbeiten wir an diesem Kulturwandel, mal leichtfüssig,
dann wieder schwerfälliger, es ist ein steter, lebenslanger Lernprozess, sei es bei jedem von
uns, individuell, aber auch in der Praxis als Ganzes. Wir sind noch lange nicht dort, wo wir
wollen, nämlich dass das Ganze mehr ist als die Summe der Einzelteile, aber wir arbeiten
daran…Über all die Jahre haben sie als Patient:Innen, aber auch als Angehörige sowie Profis
in unseren Netzwerken «als preferred provider» sehr viel beigetragen, dass wir den Mut
kaum je verloren haben und gemeinsam immer wieder nach neuen Lösungen suchen. Dies
gilt aktuell in der nicht so einfachen Phase des Verkaufs der Praxis aber auch im täglichen
«Kampf gegen den Fachkräftemangel». Wir sind überzeugt, dass unser Ziel, ein
«sinnstiftendes Patientenangebot bzw. einen ebensolchen Arbeitsplatz» zu gestalten, schon
heute eines der Hauptargumente ist, dass wir bisher immer wieder Mitarbeitende fanden,
aber auch, dass unser «Geist» mit den neuen Besitzern weiterleben kann und wird, weil er
zukunftsorientiert gegenwärtig ist.

Kultur beginnt im Herzen jedes Einzelnen

Johann Nepomuk Nestroy
Umbau und Umtriebe

Wir versuchen diesen Geist der Kommunikation und Kooperation, den «Brückenbau»
zwischen verschiedenen Parteien und Interessen auch im kommenden Umbau der
Liegenschaft an der Kirchlindachstrasse 7 vorzuleben.

Erste wichtige Schritte auf- und miteinander konnten gemacht werden. Dies bedingt von uns
allen viel Flexibilität und neues Engagement, weil wir teilweise in Randzeiten, vielleicht auch
am Wochenende Sprechstunden durchführen werden (müssen). Wir sind guten Mutes, dass
wir diese mühsamen Monate gemeinsam mit Ihnen gut hinter uns bringen werden, indem
wir planen, was planbar ist, und uns auf viele Überraschungen vorbereiten.

  • Der Umbau beginnt Mitte-Ende Juli (Gerüst)
  • Er endet Ende Jahr.
  • Der Zugang sollte gewährt bleiben, auch die Parkplätze.
  • Allerdings werden wir mit Lärm, Staub und Störungen leben müssen.
  • Wir werden nun in kürzeren Abständen informieren, sei es im Newsletter, sei es auf der Website oder im Wartzimmer.

Nachfolgend die aktuell «lauten, lärmigen und schwierigen Wochen»

Woche 33 und 34; also vom 12.08. – 24.08.2024
Hier werden wir die Praxis ab 07:00 Uhr öffnen und früher schliessen müssen.

Woche 40 und 41 (teilweise), also vom 30.09. – 12.10.24
Hier werden wir die Praxis grösstenteils schliessen
Wir werden für einfache Notfälle und Hausbesuche erreichbar sein.

Man ist viel eher bereit, Opfer zu bringen, wenn man sieht, dass alle Anderen es auch tun. So ist nun mal die menschliche Natur.

Henry Ford

Henry Ford, der Begründer der gleichnamigen Autofirma, ist ein typisches Beispiel des
«amerikanischen Traums» in einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo jede/r alles
erreichen kann. Neben unzähligen Geschichten „vom Tellerwäscher zum Millionär“ gibt es
mindestens ebenso viele Stories aus der (Halb)Schattenwelt, wo sich viel als Schein, Schall,
und Rauch oder «fake news» herausstellt, der Wilde Westen lässt grüssen und macht uns
Angst und Bange. Trotzdem: ohne Träume kann der Alltag schwierig sein und werden. Unsere
Träume schenken uns Mut und Kraft, die Ziele im manchmal grauen und kühlen Alltag zu
definieren, und den Weg dazu zu meistern, Schritt für Schritt- mit Pausen des Nachdenkens.
Sie unterstützen uns, das Glas halb voll zu sehen, und uns auch daran erfrischen zu dürfen.

Sie mögen uns hoffentlich auch helfen, unsere Träume auf diesem Weg auch vom «ich zum
Du» zu teilen, weil wir gemeinsam besser gerüstet sind gegen Stürme und Schiffbruch, Flut
und Flauten, in Krisen und Kranksein, im Zweifel und Zögern sowie im Hoffen und Handeln.

Wir leben in einer Zeit von Individualismus, Selbstverwirklichung und Machtstreben, sie
schwächen unsere Gemeinschaft im Kleinen ebenso wie die Gesellschaft als Ganzes.
Vielleicht zeigt sich das in den USA besonders deutlich, wo eine einzigartige Kultur
auseinanderzubrechen droht, weil die Menschen zwar im gleichen Land leben, aber in
verschiedenen Welten. Das Gesundheitswesen ist oft der Spiegel der Gesellschaft, nicht nur
in den USA, wo die Privatversicherten die Beste Medizin der Welt geniessen, wo aber auch
für ein «normales Asthma-Medikament» statt 50.- wie in der Schweiz, sage und schreibe
500.- bezahlt werden muss und wo die Ärmsten weder eine Versicherung noch eine
Grundversorgung haben, oft bleibt nur noch die Flucht in die Sucht oder in die Gewalt. Die
täglichen TV-Bilder sind wahrlich gesundheitsgefährdend. Immer wieder erleben wir, dass
gewisse Entwicklungen von den USA via Deutschland zu uns kommen, genial Gute wie
schrecklich Schlimme, so auch im Gesundheitswesen, aktuell vielleicht «die bedrohte
Grundversorgung» und die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich.

Das Verhängnis unserer Kultur ist, dass sie sich materiell viel stärker entwickelt hat als geistig. Ihr Gleichgewicht ist gestört

Albert Schweitzer
Beziehung und Behandlung

Was gehört zu diesem Kulturwandel sonst noch? Neben der Akutmedizin, die auf die Organe
konzentriert und fragmentiert ist und dabei unglaubliche und unschätzbare Erfolge feiert,
braucht es eine «smarter medicine». Die Akutmedizin verdient an möglichst viel Diagnosen,
Technik und Therapie bis ins höchste Alter, es gibt immer mehr Spezialisten in immer mehr
Disziplinen für immer mehr und neue Krankheiten. Diese «kurative» Medizin der Heilung von
Krankheiten ist lange erfolgreich, sehr gewinnbringend aber in der heutigen Zeit oft nicht
mehr möglich, letztlich oft wenig zielführend. Der Gegenpool, der die «Waage des
Wohlbefindens» in eine neue Balance bringen würde (wohl auch die Finanzen) kümmert sich
um Beziehungen, Gespräch, Zusammenarbeit, Vernetzung und Prävention
(Gesundheitsvorsorge), es sind als weniger die «harten Fakten» als «weiche Faktoren», die
hier zählen und wirken. Wir könnten auch von einer «anderen, weiter gedachten Form einer
palliativ – begleitenden Medizin» sprechen. In einer zukunftsorientierten Grundversorgung
sollte sie am ersten er- und gelebt werden, im Dialog auf Augenhöhe zwischen Betroffenen
und Profis. Kürzlich ist eine bekannte Studie erschienen, die sich gefragt hat, was macht den
Erfolg einer «Psychotherapie» aus. Es sind drei Dinge, unabhängig von der Methode der
Therapie

  • Die Beziehung zwischen Patient-in und Therapeut, sie muss stimmig sein.
  • Die Inhalte und Themen der Behandlung müssen plausibel sein, also sinnvoll erscheinen, richtig und wichtig.
  • Die/der Therapeut muss menschlich und fachlich kompetent wahrgenommen werden.

Persönlich bin ich überzeugt, dass diese drei Ebene für alle Fachgebiete gelten, nicht nur für
die «Seelenärzt:Innen», sondern auch für alle ärztliche wie auch nichtärztliche Arbeit mit
Patient:Innen und Angehörigen. In all den Jahren als Lehrpraxis versuchen wir diese drei
Ebenen zu lehren und die Inhalte und Werte eine «smarter medicine» weiterzugeben, auch
in den Projekten innerhalb und ausserhalb von Salutomed – es ist Teil dieser Kultur, die
tagtäglich gepflegt werden will.

Sie ist der Boden, auf dem wir gehen, und die Erde, in der die Pflanzen (Beziehungen und
Projekte) gedeihen, die wir gepflanzt und gesät haben, so auch die Qualität.

Kultur fällt uns nicht wie eine reife Frucht in den Schoss. Der Baum muss gewissenhaft gepflegt werden, wenn er Frucht tragen soll

Albert Schweitzer
mediX

Seit dem Jahr 2000 sind wir Teil des Praxisnetzes mediX. Sie sind (immer noch) Vorreiter in
einer koordinierten (integrierten) Grundversorgung, auch «managed care» genannt. Leider
wurde vor Jahren die Initiative abgelehnt, weil die Gegner uns falsch informierten, was
«managed care» bedeutet, auch dass u. a. die «freie Arztwahl» wegfällt. Das war damals
ebenso falsch wie heute, auch dass auf Kosten der Patienten gespart werden soll.
Die Idee dahinter ist, die Menschen in einem immer komplexeren Gesundheitswesen und
mit immer mehr, meist chronischen Krankheiten in einem «Netzwerk» qualitativ besser
begleiten, beraten und behandeln zu können (s. NF 74 Studie!), also auch eine «smarter
medicine» zu gestalten. MediX war also der Zeit voraus, ist es wohl immer noch. Kürzlich
haben sie ein vielbeachtetes Grundlagenpapier herausgegeben.
https://www.medix.ch/news/gesundheit-politik/die-koordinierte-versorgung-braucht-freiheit-statt-zwang-positionspapier-von-medix-zur-gesundheitspolitik-2024/ . Es werden auch
beweisende, wissenschaftliche Studien zitiert.

…Die medizinische Grundversorgung ist als Fundament für eine bedarfsgerechte Betreuung
der Schweizer Bevölkerung wissenschaftlich wie politisch anerkannt. Auch die grosse
Mehrheit der Menschen in unserem Land wünscht sich die kontinuierliche Betreuung durch
einen Hausarzt. Die in Netzwerken organisierte, hausärztlich-koordinierte Versorgung ist ein
Schweizer Erfolgsmodell, welches auf diesem Fundament aufbaut. Sie steht heute in Form des
Hausarztmodells allen offen. Sie fördert die Interprofessionalität und verbessert die
Koordination insbesondere von chronisch kranken Patient:Innen. Sie führt nachweislich zu
besserer Behandlungsqualität und 15-20% tieferen Kosten.

Auch in der digitalen Vernetzung sind sie mit dem Projekt «smart managed care» (Heureka)
federführend https://heureka.health/

Die ganze Kultur ist eine grosse, endlose Zusammenarbeit

August Strindberg

Wir haben uns entschieden, auch angesichts der aktuellen schwierigen Situation in der
regionalen Grundversorgung, das mediX Modell zu fördern und fordern.
In einer Zeit, wo fast alle Hausarztpraxen einen Patientenstopp haben und die
Notfallstationen, besonders nach der Schliessung des Tiefenauspitals, immer mehr
überlaufen werden und überfordert sind, braucht es klare Schwerpunkte und Leitlinien.

Wir nehmen wieder Patientinnen auf

Sie müssten aber folgende Bedingungen erfüllen:

  • Wohnort Zollikofen, Münchenbuchsee, Moosseedorf, Kirchlindach oder Bremgarten.
  • mediX Hausarztmodell
  • Angehörige von Patientinnen, die schon bei uns sind und im mediX Hausarztmodell

Auf der Website, im Wartzimmer aber auch am Empfang sowie am Telefon werden ihnen
unsere Mitarbeiterinnen Auskunft geben, welche Hausarztmodelle wir unterstützen.
Leider haben die Krankenversicherungen «aus der Not (Prämienanstieg) eine Tugend
gemacht» und immer wieder «falsche Hausarztmodelle»- neu auch Telemedizin Modelle
jahrjährlich erfunden und entwickelt, im harten Konkurrenzkampf um «gute, günstige Kundinnen» zu sich zu holen.
Hier wollen wir gemeinsam mit mediX mitwirken, den «Spreu vom Weizen» zu trennen. Auch
mediX ist seit Jahren Wegbegleiter dieses zitierten und definierten Kulturwandels.

Dieser Wandel ist so schwierig, weil viele, die aktuell «an der Macht» sind, diese nicht
abgeben oder teilen wollen, auch weil ihnen die Erfahrung fehlt, dass geteilte Macht in
gewisser Weise auch mehr Macht bedeutet, auch im Sinne von Freiheiten und Sinngebung.
Das «Alte» ist vertraut, selbst wenn es nicht mehr gut ist, das Vertraut sein gibt auch
Sicherheit. Gleichzeitig macht das «Neue» Angst, auch wenn es oft zauberhaft erscheint (in
den Träumen!), es ist ein «unbekanntes Land», das es zu entdecken und zu erschliessen gibt.
Dies ist allein oft schwierig zu erreichen, auch hier braucht es eine «Gemeinschaft». Es geht
beim Kulturwandel also auch um einen Abschied von altbekanntem, Vertrauten, das auch
viel Gutes erlebt und erreicht hatte, zu Gunsten von etwas Neuem. Das Alte soll gewürdigt
werden, es macht uns zu dem, wer wird sind. Gleichzeitig glaube ich, dass im Neuen, auch in
dieser «neuen Kultur» von Kooperation und Vertrauen, geteilter «Verantwortung und
Beziehung» ja nichts wirklich ganz Neues gewünscht und sogar gefordert wird. Es ist Teil
einer (menschlichen) Entwicklung und Existenz. Das Pendel der Entwicklung schlägt immer
wieder in beide Richtungen aus, so wie die Waage, so ist auch das Leben, es ereignet sich nie
linear und geradeaus, die Umwege bringen uns zum Ziel, es sind «ewige Kreisläufe», in
denen wir uns erleben, wie im Morgen und am Abend, wie von Frühling bis zum Winter, alles
hat ein Anfang und ein Ende, wie das Leben mit der Geburt und dem Tod. Die Endlichkeit ist
nicht immer das Ende, sondern oft der Anfang von etwas Neuem, auch von Bewusstsein,
Achtsamkeit, Sinnhaftigkeit und Dankbarkeit und wer weiss…

Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter dir.

– Rainer Maria Rilke